Zur Geschichte

Gottfried Benedikt Funk – Domschulrektor in einer Umbruchzeit

Das Domgymnasium hat eine lange Tradition hinter sich. Es hat gute, weniger gute aber auch schlechte Zeiten erlebt und letzten Endes auch überlebt. Einst (937) als Stiftsschule des Mauritiusklosters gegründet hatte die Schule zwar immer einen besonderen Stellenwert, und es gingen aus ihr vor allem in der anfänglichen Blütezeit bedeutende Gelehrte und Kirchenführer hervor, doch hatte die im 17. Jahrhundert wieder begründete Domschule ernsthafte Probleme mit der öffentlichen Hand und auch dadurch bedingt zeitweise mit erheblichem Rückgang an Schülern zu kämpfen. Einen besonders starken Rückgang der Schülerzahlen musste die Schule in den fünfziger und sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts hinnehmen. Während die Schule 1754 noch 250 Schüler hatte, waren es im Jahre 1769 nur noch 116. Die Klassen befanden sich im „Zustand reichlicher Verwahrlosung“. „Darüber hinaus gab es hinreichend Übelstände, die zur Minderung der Unterrichtsgüte und zum Verfall des Schulbetriebs ihr Teil beitrugen.“ (Heinrich Nöthe, Gedächtnisrede auf Gottfried Benedikt Funk aus dem Jahre 1914). Hierzu zählte Nöthe u. a. die Überalterung des Lehrkörpers und den mehrfachen Wechsel der Zusammensetzung des Lehrerkollegiums innerhalb kurzer Zeit.

In diese Krisensituation hinein wurde Gottfried Benedikt Funk (* 29.11.1734) am 25.10.1769 zunächst als Subrektor eingeführt. Funk muss im Lehrerkollegium und bei den Schülern au ßerordentlich beliebt und geachtet gewesen sein. Zweieinhalb Jahre später am 17.4.1772 wurde er Rektor. Unter seinem Rektorat nahm die Schule einen ungemeinen Aufschwung, der so nachhaltig war, daß Alfred Laeger in seiner Schulfestschrift von 1967 Funk als den „für alle Zeiten bedeutendsten aller Anstaltsleiter“ bezeichnete („für alle Zeiten“ deswegen, weil zu DDR-Zeit die Schule umbenannt und so der Bruch mit der Tradition der Domschule be wußt vollzogen worden war).

Funk kam im Alter von 13 Jahren auf die Schule in Freiberg, mit 16 wurde er bereits Hausleh rer in einigen Freiberger Familien. Nebenher las er als Autodidakt die Klassiker. 1755 stu dierte er für ein Jahr Rechtswissenschaften in Leipzig. 1756 ging er als Hauslehrer des Hof predigers Cramer nach Kopenhagen, wo er über 13 Jahre blieb. Dort fand er auch Aufnahme in den Literaturkreis um Klopstock.

Mit der Berufung zum Rekor erlebte die Schule laut Heinrich Nöthe einen „vorher nie ge ahnten Aufschwung“, und es „kehrten Ordnung, Fleiß und Sittlichkeit bei den Schülern wie der ein“, was zum weitverbreiteten Ruf der Schule beitrug. Die Folge war, daß die Eltern wieder Vertrauen fassten und ihre Söhne auf die Schule schickten. Die Schülerzahl stieg rasch auf über 300. Die Schule erhielt nun ein Sieben-Klassen-System, das bis zur Neu ordnung des Magdeburger Schulwesens 1823 Bestand hatte. Von der Vorbereitungsklasse (Septima) bis zur Tertia wurden die Schüler aufgrund ihrer Lernfortschritte durch Beschlüsse der Lehrer­konferenzen in verschie dene Klassen eingeteilt, so daß ein Schüler je nach Fach mehreren Klassen angehören konnte. 1775 erhielt die Schule eine neue Schulordnung, in der die Rechte und Pflichten des Rektors, der Lehrer sowie die Disziplin aber auch die Schulmethode behan delt werden. Der Einfluß des Domkapitels hinsichtlich der Schulaufsicht beginnt zu schwin den. Die Schule muß nun amtliche königliche Revisionen hinnehmen, so auch 1794 - mit aus drückli chem Lob für Funk, für die Organisation der Schule und die besondere Berücksich tigung des Religionsunter richtes. 1780 wird ein einheitliches Schulgeld von 6 Talern festge legt. Vorher erfolgte die Zahlung von Schul geld auf freiwilliger Basis. In den nächsten 150 Jahren stieg das Schulgeld ständig. Funk leitete aber nicht nur den Schulbetrieb an sich, son dern übernahm noch weitere Aufgaben: 1783 gründete er ein Lehrerseminar, das bis 1822 Bestand hatte. 1785 wird er Konsistorialrat und war im Rahmen dieses Nebenamtes mit der Abnahme der Prüfungen der Kandidaten der Theologie und Philologie beauftragt. 1788 wird in Preußen unter gutachtlicher Mitwirkung von Funk eine staatliche Prüfungsordnung für Gymnasialabiturienten erlassen, nach der erstmalig die Abiturienten der Domschule im März 1789 geprüft werden. 1806 kommt es zum preußisch-französi schen Krieg, die Domschule wird für einige Monate Lazarett, der Unterrichtsbetrieb wird ausgelagert. Preußen unterliegt Napoleon und die Stadt Magdeburg kommt zum Königreich Westfalen unter Napoleons jün gerem Bruder Jerôme. Dessen Regierung löste 1810 das Dom kapitel auf. Das Vermögen fiel dem Staat zu. Der Domschule blieb das Gebäude jedoch er­halten. 1814 kurz vor seinem Tode erlebte Funk noch den Triumphzug der siegreichen preu ßischen Truppen in die von französi scher Herrschaft befreite Stadt. Nach kurzer Krankheit verstarb Funk am 18. Juni. Am 21. Juni wurde er auf dem Domkirchhof inmitten des Kreuz ganges beigesetzt.

Funk hatte die Domschule zu einem Gymnasium mit exzellentem Ruf gemacht. Auf frei wer dende Lehrerstellen drängten neue Bewerber nach. Noch im Todesjahr Funks kommt die Schule unter die Trägerschaft des preußischen Staates. In einem dafür angefertigten Gutach ten heißt es: „Für die treffliche innere Einrichtung der Schule spricht Funks Name und das Vertrauen des Publikums, welches ihr auch unter den ungünstigsten Zeit- und Ortsverhältnis sen eine vergleichungsweise große Schülerzahl erhalten hat, wie denn auch kaum eine Schulanstalt in Deutschland zu nennen sein möchte, welche in den letzten verflossenen 40 Jahren so viele kenntnisreiche, gründlich gebildete, um den Staat und die Wissenschaften hoch verdiente und dadurch berühmt gewordene Männer erzogen hat, als sie.“

Wie bedeutend und angesehen dieser Rektor war, sieht man auch daran, daß die Schriften Funks zusammen mit einer Lebensbeschreibung veröffentlicht wurden, vor allem aber auch an der Ehrung und dem Gedenken, das ihm nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch nach dem Tode zuteil wurde: Zum 66. Geburtstag wurde von früheren Domschülern eine goldene Ge denkmünze herausgegeben (von mehreren silbernen Exemplaren ist eine in der Münzsamm lung der Magdeburger Stadtbibliothek erhalten). Viereinhalb Jahre nach seinem Tod wurde am 29.11.1818 zu Ehren von Funk im Magdeburger Dom eine Marmorbüste enthüllt mit der Aufschrift „Scholae, Ecclesiae, Patriae Decus“ (im südlichen Schiff hinten, an der Mauer des Ostturmes). Eine Kopie dieser Büste stand in der Schule. Sie wurde 1945 entfernt. Und 1914 wurde zum hundertjährigen Todesjahr eine Gedenkfeier zu Ehren Funks abgehal ten.

Seit Funk an die Schule berufen wurde, hat er ganz offensichtlich sein ganzes weiteres Leben der Schule im weitesten Sinne gewidmet. Sein Verständnis von Schule ging über den alltägli chen Lehrbetrieb weit hinaus. Davon zeugen die oben erwähnte Errichtung des Lehrersemi nars und die Mitarbeit an der preußischen Abiturordnung. Auch in wissenschaftlicher, d. h. besonders didaktischer Hinsicht hat er Beachtliches geleistet. Er hat sich u. a. mit seiner Schrift „Gedanken von dem Nutzen richtig getriebener Philologie in den Schulen“ den Ruf eines ausgezeichneten Fachmannes erworben. Das zeigt die Anerkennung, die ihm der große Philologe Friedrich August Wolf dafür zollt: „die Abhandlung eines der besten und gelehrte sten Schulmänner Deutschlands“.

Aber nicht nur in fachlichem auf den Unterricht bezogenen Bereich hat Funk die Verbindung nach außen hergestellt, sondern er war sich der Tatsache bewußt, daß eine gute Ausbildung auch Erziehung mit einschließt. Funk hat erkannt, wie entscheidend für das weitere Leben von jungen Menschen die Vermittlung eines (christlichen) Wertesystems ist. Und so hat Funk für eine enge Verbindung der Schule mit dem Dom gesorgt. Mit der Domschule war auf Betrei ben Funks seit 1806 eine vom Domkapitel in der Sudenburg unterhaltene Freischule für Kin der mittelloser Eltern verbunden. Außerdem bestand eine enge Verbindung zu Domchor und Domkurrende. Am 25.10.1769 war Funk an der Schule als Subrektor eingeführt worden. Am 25.10.1819 wurde die „Funksche Stiftung für die Domschule Magdeburg“ zur Unterstützung bedürftiger und begabter Schüler gegründet.

Das Ökumenische Domgymnasium (ÖDG) zieht im August 2000 in die Hegelstraße, zurück in das renovierte und erweiterte Gebäude des alten Domgymnasiums. Dieses war 1881 aus dem direkt am Dom gelegenen (und später für das Konsistorium veränderten) Gebäude in die Augustastraße (heute Hegelstraße) umgezogen. Das ÖDG übernimmt aber nicht nur die „äu ßere Hülle“ der alten Domschule, sondern fühlt sich besonders den von Funk vermittelten Werten und der von ihm gesuchten Einbindung der Schule in das kirchliche und gesellschaft liche Leben verpflichtet, nämlich der Erziehung der Schüler zu einem selbstverantworteten Leben auf der Grundlage des christlichen Welt- und Menschenbildes. Das heißt: Auch für das heutige  Domgymnasium bedeutet Schule mehr als nur Unterricht: Die (wie zu Funks Zeiten) besondere Stellung des Religionsunterrichtes, die enge Verbindung zur Domgemeinde, der Raum der Stille und die Wiederherstellung der Orgel, um nur einiges zu nennen, dienen nicht nur dazu, den Kontakt nach „außen“ herzustellen, sondern auch dazu, die zu vermittelnden Werte erlebbar zu machen.

Dr. Dietrich Lührs

6/6: Das Domgymnasium zur Zeit des Nationalsozialismus