Interview mit Kirchenpräsident Dr. Volker Jung (EKHN) in Magdeburg
Am 5. Juli war der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Dr. Volker Jung, als Gastprediger im Magdeburger Dom. (Sein Amt entspricht dem eines Bischofs in anderen evangelischen Landeskirchen.) Für die AG „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ am Ökumenischen Domgymnasium bot sich anschließend die Gelegenheit, einen prominenten Kirchenvertreter zu treffen, der sich schon lange gegen Rassismus und Homophobie und für Menschenrechte engagiert. Das Interview führten Hannah Leiner und Jasper Riechard.
Wie politisch darf Kirche sein? Das war eines der angesprochenen Themen. Der Einsatz für Menschenrechtsthemen geht gar nicht unpolitisch, betonte Dr. Jung. Auch nichts zu sagen und nichts zu tun ist politisch! Eine andere zentrale Frage war der Bezug zur Bibel. Dazu sagte der Kirchenpräsident, die Bibel zur Rechtfertigung für Sklaverei, Frauenfeindlichkeit, Ablehnung von Homosexualität und überhaupt von Unterschieden zwischen Menschen heranzuziehen verkenne, dass die Texte in einem historischen Zusammenhang entstanden sind und als zeitbedingt interpretiert und auch von der Kernbotschaft der Bibel her kritisiert werden müssen. Bei den genannten Themen gehe es immer um die Menschenwürde – und die hat auch eine christliche Begründungsgeschichte: Vor Gott sind alle Menschen gleich würdig.
Bei den Internationalen Wochen gegen Rassismus jedes Jahr (an denen sich auch das ÖDG beteiligt) engagiert sich Dr. Jung von Anfang an. Gemeinsam mit dem ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und anderen hat er die Stiftung gegen Rassismus gegründet, die als Trägerin der Internationalen Wochen fungiert. Erfahrungen mit Alltagsrassismus in Deutschland machte er, als ein Gaststudent aus Uganda, der an der TU Darmstadt promovieren sollte und noch keine Wohnung hatte, bei Familie Jung unterkam: Sein Ticket für den ÖPNV war noch einen Tag gültig, aber der Kontrolleur behauptete, es sei abgelaufen und kassierte eine Geldbuße. Erst auf den Protest der Gastgeber wurde das Geld mit Entschuldigung zurückerstattet. Und Frau Jung erlebte, wie unterschiedlich ihr Menschen begegneten, als sie Wege mit dem „schwarzen“ Studenten erledigte im Vergleich zu ähnlichen Situationen mit einem „weißen“ Gast aus Costa Rica. „Micro-aggression“ ist hierfür ein Begriff, den Dr. Jung vor allem in Gesprächen mit einer amerikanischen Partnerkirche der EKHN kennengelernt hat.
Wegen seiner Funktion als Vorsitzender des Gemeinschaftswerkes für Evangelische Publizistik in Frankfurt wird Dr. Jung auch „Medienbischof“ genannt. Er ist auch selbst in den sozialen Medien aktiv und hat deshalb Tipps, wie man z.B. mit Hass im Netz umgehen kann – nämlich differenziert: Wenn ein Shitstorm offensichtlich von Bots generiert ist, sollte man ihn einfach ignorieren. Wenn er aber persönlich im Netz oder mit Hass-Mails angegriffen wird, fragt sein Referent den Absender nach Namen und Adresse – dann gibt es auch eine Antwort mit Argumenten. Bei Bedrohungen sollte man auf jeden Fall Anzeige erstatten.
Was gibt der Kirchenpräsident – Vater erwachsener Kinder – nun jungen Leuten als Rat? Aufmerksam und wach bleiben, bereit sein sich einzusetzen: „Engagiert euch!“ Nichts ist selbstverständlich. Und es ist mehr denn je nötig, immer den globalen Kontext zu sehen, denn was wir hier tun (oder unterlassen), hat Auswirkungen nicht nur auf unsere direkte Umgebung.
(Protokoll: Helga Fiek)
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