Abrissarbeiten auf geschichtsträchtigem Boden

02.07.2014

Archäologe Dr. Ditmar – Trauth trifft Schulklasse an Baustelle Breiter Weg, Ecke Danzstraße

(Von Constanze Meyer)

Fasziniert stehen die Kinder der Klasse 6d des Ökumenischen Domgymnasiums am Rande der abgesperrten Baugrube am Breiten Weg, Ecke Danzstraße. Hier, wo seit einigen Wochen die alten Plattenbauten abgerissen werden, kann man nun in einigen Metern Tiefe Reste von Kellergewölben der Häuser erblicken, die den Bombenhagel im letzten Kriegsjahr 1945 nicht überstanden haben. Einige erdverkrustete Objekte lagern am Rand der Absperrung: eine alte Nähmaschine und eine Tischlampe, beide völlig verrostet und aufgrund ihres vergleichsweise geringen Alters von ca. 100 Jahren „archäologisch nicht von Bedeutung“ erläutert Dr. Gösta Ditmar-Trauth. Er kam bereits im Jahr 2000 von Oldenburg in die sachsen-anhaltinische Landeshauptstadt, um verschiedene wichtige Grabungen in Magdeburg und der Umgebung zu leiten. Nun hat sein Team einige Monate Zeit, Untersuchungen auf dem Abrissgelände am Breiten Weg durchzuführen. Ziel sei es, „herauszufinden, wie Magdeburg – Sudenburg im Mittelalter ausgesehen hat.“

Der Archäologe hat sich für heute bereit erklärt, den wissensdurstigen Elf- und Zwölfjährigen zu erklären, auf welchem geschichtsträchtigen Boden sie hier stehen.

So erfahren die Kinder, dass sie sich am Rande der mittelalterlichen Stadt befinden, die durch eine Mauer geschützt war. Dr. Ditmar – Trauth zeichnet die Entwicklung Magdeburgs bis zur größten preußischen Festung nach, bezieht die Zuhörer immer wieder ein, fragt nach und lässt sie selbst Zusammenhänge erkennen. Die Kinder hängen gebannt an seinen Lippen und folgen mit ihren Blicken seinem Zeigefinger, als der Experte mit dem markanten Hut sie auf Reste alter Festungsanlagen mit Schießscharten hinweist, welche inmitten der Kellerräume erkennbar sind. „Es handelt sich um barocke Festungsanlagen aus dem 17. Jahrhundert, die dann später von Napoleon „geschleift“ , d.h. abgerissen bzw. eingeebnet wurden und sich bis zum Friedensplatz hinziehen.“

Das Wissen des Archäologen ist immens: Schließlich hat er selbst zahlreiche Fachbücher unter anderem zu verschiedenen Themen des Hochmittelalters veröffentlicht. Es ist ihm anzumerken, dass er für sein Fachgebiet brennt und so wird der Besuch der Baugrube am Breiten Weg zu einer Lehrstunde über Stadtgeschichte, die alle Kinder begeistert. Immer mehr Fragen beantwortet Dr. Ditmar-Trauth bereitwillig. So nennt er als einen der aufregendsten Funde in Magdeburg den an der heutigen Goldschmiedebrücke, welcher im Jahre 2005 gemacht wurde: Damals entdeckte man bei Grabungen über 600 Gießformen mit mehr als 1000 Einzelteilen aus dem 13. Jahrhundert.
Mit diesen 3-D- Werkzeugen aus schneidbarem Kalkstein goss man aus Zinn oder anderem Buntmetall Ton verschiedene Gegenstände, z.B. Beschläge für Gürtel, wie man sie an den Törichten Jungfrauen im Dom sehen kann, Gewandschließen (Fibeln), Schachfiguren oder Fabelwesen wie Löwen mit Männerköpfen. Doch auch Kindergeschirr für Puppenstuben aus dem Mittelalter oder Bauteile für Spielzeughäuser fanden die Forscher. „Das gab es vorher nicht in der archäologischen Forschung! Die Puppenhäuser jener Zeit gibt es nicht mehr, aber es muss sie - aufgrund dieser Funde - gegeben haben.“ Als ein vorwitziger Sechstklässler lautstark wünscht, selbst einmal einen wertvollen Fund zu machen, wird er von Dr. Ditmar-Trauth schmunzelnd daran erinnert, dass wertvolle Fundstücke in Sachsen-Anhalt dem Land gehören, während man in einigen anderen Bundesländern zumindest Anspruch auf einen Finderlohn hätte. Viel zu schnell vergeht die außergewöhnliche Unterrichtsstunde, die den Kindern und ihrer Klassenlehrerin Constanze Meyer noch lange in Erinnerung bleiben wird. „Das war so spannend!“ sind sich alle einig und hoffen, noch einmal mit Dr. Gösta Ditmar-Trauth zusammenzutreffen.

Constanze Meyer


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